Zwischen Pancakes und Tortillas
Siebter Tourbericht vom 7. Dezember 2001 Big Sur - San Diego
Wir nehmen Abschied von Big Sur, wo sich die Küste zwischen Bergen und Stränden,
Wäldern und Weiden selbst übertrifft. Vor San Simeon zwingen uns kräftige Rufen
von See-Elefanten zu einer Pause. Im Licht der ins Meer tauchenden Sonne sehen wir die Tiere
wenige Schritte entfernt im Sand liegen. Sie reiben sich aneinander, beißen sich zärtlich
in den Nackenpelz, manchmal muss der Nachwuchs vor den derben Zwickereien des Leitbullen flüchten.
Die speckigen Robben wirken trotz Leibesfülle elegant, und wenn sie dich anschauen, möchtest
du sie am liebsten umarmen, obwohl sie ziemlich streng riechen. Kerstin und Elisabeth sind
glücklich über die Nähe, den See-Elefanten ist das egal.
In San Simeon kleidet sich die Küste in eine andere Form. Die Berge sind zurückgeblieben
und lassen der Ebene Platz, an das Meer zu stoßen. Wir speisen Hamburger und stellen
dann die Zelte neben dem von Etienne und Simon auf.
Die geplante Etappe soll etwas mehr als 50 Meilen betragen, sie führt durch Weideland.
Hinter Zäunen stehen schwarze Rinder, eine Eselherde grast. In Cayucos überfällt
uns Kaffeedurst, Kerstin und Elisabeth spüren Verlangen nach Pancakes. Diese Pfannkuchen
darf man nicht Pfannkuchen nennen, denn sie unterscheiden sich gewaltig von allen unter diesem
Namen in Europa angebotenen Speisen. Gut gemacht, bestehen sie aus fingerdickem kaffeebraun
gebackenem Flauscheteig. Geübte Esserinnen tränken die Pancakes mit Ahornsirup. Wir
kennen das Geheimnis der Pancakes nicht, wissen nur, dass sie auf unserer Geschmackslinie liegen.
Kerstin vermutet, die Konsistenz stamme von Soda - wir werden es ausprobieren, wenn wir zurück
in Deutschland sind. Etienne und Simon hatten zwei Tage zuvor versucht, mit Backmischung und
Campingkocher Pancakes zu machen, doch ihre Anstrengungen endeten in Pfannkuchenbrei.
Der Highway führt uns um Morro Bay herum und in sanfte Täler, zu denen der Meerwind
keinen Zutritt hat. San Luis Obispo hätten wir sicher allerliebst gefunden, wenn wir uns
mehr Zeit genommen hätten, es zu erkunden. So reicht unsere Geduld gerade für einen
Besichtigungsrundgang durch die Mission aus dem 18. Jahrhundert. Ein spanischer Pater war zu
Fuß hergekommen und hatte den ansässigen Indianerstamm überredet, ein Haus
zur Anbetung eines fremden Gottes zu bauen. Wir versuchen, zu empfinden, welche Überzeugung
diese Missionare getrieben hat, und wenden uns dann der schlichten Architektur zu, den weiß
gekalkten Steinwänden und dem naivschönen Kreuzgang, zwölf Bildern des Lebens-
und Leidensweg Jesu. Im Garten der Mission hängen die Bäume voller Orangen, man hört
die vom Band gespielte Chormusik aus dem Kirchenraum nicht. Das Kirchlein wirkt wie ein Bestandteil
einer mexikanischen Kleinstadt, die San Luis Obispo im Grunde ist. Pismo Beach scheint uns
das Gegenteil zu sein. Zu reiche Amerikaner haben ihre Häuser um einen Strandabschnitt
geballt und mit Zaun und Gittertor verschlossen. "No trespassing", sagen Schilder.
Keine Angst, wir kommen freiwillig nicht näher.
Wenige Meilen später erreichen wir den Oceano Campground und bereiten unser Nachtlager.
Ein Nachbar heißt Mark, ein Schweizer aus Bern, der für ein Jahr Richtung Süden
radelt und als Reiseziel stets bescheiden "Mexiko" nennt, obwohl er eigentlich Südamerika
erreichen will. Er hetzt sich nicht, lässt die Route lieber im Ungewissen. Am nächsten
Morgen fährt Mark mit Jil und Jim, einem amerikanischen Paar, das die Pazifikroute nach
zehnmaligem Beradeln auswendig kennt, anderthalb Meilen zurück, um einen Schmetterlingsbaum
zu besichtigen. Als er zurückkommt, wirkt er beeindruckt, und auch wir beschließen,
uns die Insekten anzuschauen. Wir finden ein Eukalyptuswäldchen, einen beige gestrichenen
Holzzaun und eine uniformierte Wärterin mit Fernglas vor der Brust. Dann sehen wir die
Schmetterlinge. Sie hängen haushoch über der Erde, braune Fetzen, wie abgestorbene
Blüten. Gelegentlich gaukelt einer durch die Luft und zeigt die bunt gemusterten Innenseiten
seiner Flügel. Das Spektakuläre dieser Monarch-Schmetterlinge müssen wir uns
erzählen lassen. Sie fliegen im Winter von Alaska Richtung Mexiko, werden von Vögeln
verschont, weil sie nicht lecker schmecken, und sie campieren alle Jahre auf den selben Bäumen.
Südkalifornien könnte auch Nordmexiko heißen. Das fällt uns noch einmal
in Guadalupe auf, einem Ort, der außer seinem spanischen Namen auch ein mexikanisches
Innenleben besitzt. Die Einwohner haben eine Häuserrreihe an jede Seite des Highways gestellt.
Durch Baulücken zwischen den Fassaden schauen wir auf Brokkoli-Felder, auch hier herrscht
"Dole".
Auf dem Campingplatz in Lompoc warnen Tafeln vor Klapperschlangen und Berglöwen. Wir laden
Mark, dessen Weg von hier aus landeinwärts führt, zu Spinat, Kartoffelbrei und Spiegelei
ein.
Wir verlassen Lompoc, Partnerstadt des schweizerischen Locarno und spanischen Inca auf dem
Highway 1, ohne uns am Morgen aufzuhalten. Das ist ein Fehler, wie sich am Mangel von Lebensmittelgeschäften
im Laufe des Tages zeigt. Seitwärts breitet sich Farmland aus, durch Drahtzäune glotzen
uns Kühe nach. Manchmal muhen sie, sonst hören wir außer Automotoren nicht
viel. Die Brandung des Pazifiks kehrt am Gaviota State Beach zu uns zurück.
Unter einer rostigen Eisenbahnbrücke füttern wir Möwen und uns mit Keksen, Tortilla-Chips
und Bananen. Kerstin ist begeistert, als sie den Refugio State Beach sieht, einen Zeltplatz,
der um eine palmenbesetzte Sandbucht angelegt ist. Am Eingang droht das Schild "Vollständig
belegt", wir nähern uns dem Thanksgiving-Wochenende, an dem bei Amerikanern Familientreffen
auf Campingplätzen Tradition haben. Auch wenn der Hiker-Biker-Platz vermutlich Raum für
uns hätte, fahren wir zwei Meilen weiter zum El Captaino State Park. Auf dem benachbarten,
privat betriebenen Campingplatz hat ein Laden geöffnet, und Elisabeth und Benedikt kaufen
Tomatensuppe von Paul Newman und eine Packung Nudeln. Auswahl besteht nicht. Die Sonne sinkt
und färbt den Wolkenteppich von unten rot, ein Sonnenuntergang aus dem Pazifik-Bilderbuch.
Jil und Jim wohnen nebenan. Sie erzählen, dass die Channel Islands hinter den Ölbohrplattformen
zum Naturschutzgebiet gehören. Der Sohn von Jaques Costeau hat eine Forschungsstation
eingerichtet und schaut alljährlich den vorbeiziehenden Walen bei der Geburt des Nachwuchses
zu.
Wir erleben einen gemütlichen Abend und schauen, als es finster wird, hinüber zu
den Plattformen, auf denen Lichter angeschaltet sind. Sie sehen aus wie quadratische Weihnachtsbäume.
Wir haben eine ruhige Nacht, auch wenn rings um uns die Feuer für die Familienbarbeques
der feiernden Nachbarn glühen und ein paar Racoons sich an den Gewürzen von Jil und
Jim vergreifen.
Am Morgen erreichen wir Santa Barbara und biegen vom Highway in eine Umgehung ab, die uns durch
den Campus der Universität führt. Wir fühlen uns wie auf einem Sonntagsausflug,
neben uns fahren Studenten und andere Stadtbewohner ihre Fahrräder spazieren. Die örtliche
Mission ist eine Touristenattraktion, und auch wir laufen durch das angenehm schlichte Kirchenschiff
und den mexikanisch-spanischen Innenhof.
Santa Barbara ist kein Heim für arme Menschen. Die groß angelegten Stadthäuser
stehen in großzügigen Gärten, und wer mehr Geld hat, gönnt sich eine glatte
Mauer oder wenigstens einen Eisenzaun, um den Besitz zu sichern. In der Main Street, der Flaniermeile,
gönnen wir uns Hamburger und ein paar Bier. Viele Passanten bleiben vor unseren beladenen
Fahrrädern stehen und fachsimpeln über Konstruktion und Ausrüstung.
Auf dem Carpinteria State Beach Campingplatz sind die Besitzer der Wohnmobile wie Sardinen
zusammengepfercht. Wir fühlen uns auf dem Radlerzeltplatz wohl, auch wenn eine steife
Brise vom Meer uns mit Sand bewirft und das Aufstellen der Zelte zu verhindern sucht. Diesmal
ist der schweigsame Bärtige auf der "Tour for the cure" unser Nachbar. Wir erfahren,
er heißt Terry (oder Ferry oder Jerry, das ist wegen des Mangels an Zähnen nur schwer
zu verstehen), arbeitet gewöhnlich als Zimmermann und hat einen faulen Tag in Santa Barbara
genossen.
Die vorletzte Etappe vor Los Angeles besteht aus Highway, Strand und Surfern. Weite Buchten
öffnen sich vor uns, die Palmen stehen windgebeutelt und zerzaust. An einem Stück
Straße parken mehrere Meilen lang Campingmobile in einer Reihe. Ihre Besitzer haben Stühle
vor die Fahrzeuge gestellt und sie sitzen dort, schauen aufs Wasser und lassen die Zeit verstreichen.
In Ventura essen wir Hamburger und Fischsandwiches am Pier. Die Stadt heißt eigentlich
Buenaventura, aber aus einem uns unbekannten Grund lassen die US-Amerikaner die ersten Silben
weg. Südlich von diesem Ort hat die Navy einen Stützpunkt errichtet, der uns den
Zugang zur Küste verwehrt. Wir fahren an einem stacheldrahtbewehrten Zaun vorbei, dahinter
lebt so etwas wie eine Kleinstadt mit Schulen, Geschäften und Kindergärten.
Zurück am Strand sehen wir Parasurfer und sind hingerissen von ihrem Spiel mit Wellen
und Wind. Sie tragen Surfbretter an den Füßen und haben ihre Oberkörper in
Gurte geschnallt, an denen ein Gleitschirm hängt. Manche Böen heben sie aus dem Wasser,
ihnen gelingen haushohe Sprünge.
Nach der Campingnacht frühstücken wir unter bedecktem Himmel. Vorsichtshalber lassen
wir das Regenzeug griffbereit. Es beginnt sacht zu tropfen, der Regen geht in ein kontinuierliches
Trommeln über, und als sich der Wind dazu gesellt, entsteht ein ausgewachsenes Radlhindernis.
Von Malibu, dem Wohnort der Superreichen und Superprominenten sehen wir vor allem nass glänzende
Grundstücksmauern. Auf den Hügeln entlang des Küstenstreifens thronen die Villen.
Sie haben mit keuchenden Radlern nichts zu schaffen. An den Stränden von Los Angeles erwischt
uns der Wind aggressiv, der Pazifik lässt ihn ungebremst gegen unsere Gesichter fahren.
Auf dem Weg über den Strand liest er Sandkörner auf, die wie Stecknadeln pieksen.
Wir haben Venice Beach im Mund, es schmeckt gar nicht nach gebräunten Götterkörpern,
die sich bei Sonnenschein hier präsentieren sollen. Die Muskelmenschen haben einen Austag
genommen, vielleicht liegen sie im Sonnenstudio. Dann, nach viel zu langer Fahrt und viel zu
nass, erreichen wir das Haus von Martin und Conny oberhalb von Manhattan Beach. Martin ist
Benedikts Bruder. Hier wollen wir eine Woche lang ausspannen, unsere Räder überholen
und Ersatzteile kaufen.
Conny probiert sämtliche Gerichte, die ihr einfallen, an uns aus. Die Gastgeber legen
selbstgefangenen Lachs aus Alaska auf den Grill, unsere Bäuche werden rund, weil wir zwischen
Schlafzimmer und Esstisch höchstens eine Runde durch den Garten spazieren. Nach drei Tagen
treibt es Kerstin und Bernd auf das Rad. Sie fahren, Los Angeles zu erkunden. Diese Stadt ist
ein Gigant, der sich einen Ort am Pazifik gesucht hat und flach über Hügel und Täler
ausgebreitet liegt. Von Manhattan Beach fährt man 30 Kilometer nach Hollywood, Kilometer,
die ausschließlich durch Eigenheimsiedlungen führen. Die Straßen wurden mit
dem Lineal gezogen. Doch der Häuserteppich ist durchaus bunt. Wir radeln durch Siedlungen,
in denen hauptsächlich Schwarze wohnen. Hinter einer für uns unsichtbaren Grenze
beginnt mexikanisches Gebiet, dann folgt Klein-Armenien, Klein-Korea und endlich Hollywood.
Hier steuern hoffnungsvolle Starlets ihre (vielleicht nicht vollständig bezahlten) Nobelautos,
führen großstädtische Neurotiker ihre Launen Gassi und tummeln sich Touristen
auf der Suche nach den Mythen der Filmindustrie. Wir radeln langsam über den Hollywood
Boulevard und sehen plötzlich zwei Jungs mit Fahrrädern an der Hand. Etienne und
Simon, tatsächlich, unsere kanadischen Radlerkollegen, die wir weit vor uns gewähnt
haben. Den Zufall, der laut Einwohnerstatistik etwa 1:13.000.000 gegen uns steht, begießen
wir mit einem Fläschchen Pale Ale, und lernen, dass im Inneren der Stadt Parkanlagen nicht
vorkommen. Wir trinken unser Bier in einer Seitenstraße, auf einem Mäuerchen vor
einer Synagoge. An uns hasten bärtige Juden in schwarzen Anzügen zum Schabbat-Gebet,
manche grüßen.
Elisabeth und Benedikt sind an diesem Tag mit Martin zum Snow Summit gefahren, die Saison im
Ski-Gebiet wurde zwei Tage zuvor eröffnet. Sie genießen den Strahlehimmel und pulvrigen
Schnee, der für die Carving-Ski Zucker ist.
George Harrison ist gestorben, und als Kerstin und Bernd am folgenden Tag erneut in Hollywood
herumstromern, sehen sie am "Walk of Fame" um den Beatles-Stern herum eine Trauerfeier.
Zwei Gitarren-Spieler singen die Uralt-Lieder, auf dem Gehsteig liegen Blumen getürmt,
Poster mit den Gesichtern der Band-Mitglieder und sentimentalen Schriftzügen. "George,
Du warst der Friedlichste. Wir werden Dich nie vergessen."
Am Sonntag Nachmittag verabschieden sich Kerstin und Bernd aus Los Angeles und fahren weiter
nach Huntington Beach, dem Ort, wo das Surfen erfunden wurde. Elisabeth und Benedikt bleiben
noch für zwei Tage, sie warten auf Päckchen aus Deutschland, die längst hätten
eingetroffen sein sollten.
Nähert man sich Huntington Beach an der Küste, könnte man glauben, es wäre
ein eigenständiger Ort. Tatsächlich ist es im Inland mit der Gigastadt zusammengewachsen.
Doch das stört uns nicht, denn die Siedlung rings um den Pier hat Bad-Atmosphäre.
Dazu trägt vor allem das Hostel bei, in dem wir absteigen. Das "Colonial Inn"
ist in einer Holz-Villa untergebracht, die 1906 gebaut wurde. Hier wohnen vor allem Surfer
und Langzeitreisende. Man trifft sich in der Küche oder im Fernsehzimmer, es gibt immer
einen Grund, ein Gespräch zu beginnen.
Wir besuchen täglich den Pier. Kerstin schaut den Surfern zu, die auf den Wellenkämmen
tanzen. Die muskulösen Körper sind in schwarze Tauchanzüge gezwängt, die
Jungs (wir sehen nur sehr wenige Mädels auf den Brettern) sind nicht wasserscheu. Bernd
mag die Angler, deren Glück aus forellengroßen Fischen besteht. Vor allem ein Mexikaner
im Rollstuhl fängt eifrig. Sein Frauchen schleppt an beiden Tagen zwei volle Plastiktüten
heimwärts. Abends streichen wir durch die Straßen. Einerseits auf der Suche nach
einem Supermarkt, anderseits auf Besichtigungstour durch die Eigenheimsiedlungen. Nach Thanksgiving
knipsen die US-Amerikaner Weihnachten an. Das ist wörtlich zu nehmen, denn sie behängen
Häuser mit Lichterketten, in den Vorgärten äsen leuchtende Rehlein aus Draht,
der Geschenkschlitten wird von Delfinen gezogen und Santa Claus zeigt seine rote Zipfelmütze
an allen Ecken.
Elisabeth und Benedikt treffen aus Los Angeles ein. Nach einem gemeinsamen Abend ist die Zeit
der Rekreation endgültig vorbei und wir nehmen den Weg zur mexikanischen Grenze unter
die Räder. Am Campingplatz neben dem Atomkraftwerk San Onofre weist uns ein Ranger am
Eingang ab. Der Platz sei nur an Wochenenden geöffnet. Wir müssen zehn Kilometer
bis San Clemente zurückfahren und sehen, dass dieser Campingplatz bis März 2002 wegen
Umbaus geschlossen ist. Das ist uns wurscht, wir verzichten auf Duschen und stellen die Zelte
auf. Der Platz ist leer. Vorn am Strand sehen wir zwei Räder, die uns ziemlich bekannt
vorkommen. Klar, Etienne und Simon sind hier, von denen wir uns in Los Angeles eigentlich bis
zu einem Wiedersehen in Mexiko verabschiedet hatten. Sie wissen, dass die patroullierenden
Ranger es nicht gern sehen, wenn man den geschlossenen Platz benutzt, doch an diesem Abend
fahren die weißen Dienstautos an uns vorbei, wir werden nicht geschimpft.
Die Etappe bis San Diego ist durch das Armee-Camp Pendleton gelegt. Am Schlagbaum nimmt uns
ein Militärpolizist die Pässe ab, um sie zu überprüfen. Er fragt, ob wir
so freundlich wären, Helme aufzusetzen, und darf uns dann doch nicht durch das Kasernengelände
lassen - die USA führen Krieg und schirmen ihre Soldaten vor zivilen Radfahrern ab. Statt
dessen fahren wir auf den Freeway, der eigentlich für Radler verboten ist und schneiden
so mindestens zehn Meilen von unserer Tagesdistanz ab. Später treffen wir einen Rennradler,
der sich anbietet, uns nach San Diego hineinzuführen. Kevin arbeitet manchmal als Zimmermann,
derzeit hat er jedoch keine Lust auf seinen Job und fährt lieber Rad. Er zeigt uns eine
Abkürzung durchs Unigelände, ein chinesisches "All you can eat"-Restaurant,
in dem wir zweimal zu Abend essen, und einen Campingplatz, der zwar teuer, aber noch billiger
als ein Hostel ist.
Während Elisabeth und Benedikt Weihnachtspost erledigen, fahren Kerstin und Bernd nach
San Diego Downtown. Der Flughafen ist lustig in die Stadt hineingebaut, und die landenden Flugzeuge
fliegen dicht an den Hochhäusern vorbei, nicht mehr als 50 Meter über den Straßen
der Stadt.
San Diego hat auch in Downtown Charme. Ein Viertel ist nach den Gaslaternen am Straßenrand
benannt. In den Lampen brennen schon lange elektrische Glühbirnen, doch viele der Fassaden
stammen vom Anfang des 20. Jahrhunderts. Man hat versucht, Kaufrauschtempel dazwischenzupflanzen,
ohne das Gesicht allzu sehr zu verletzen. San Diego riecht schon sehr nach Mexiko.