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Kerstin Fischer
Ich und Fahrradfahren? Ein Jahr lang? Vor zehn Jahren hätte
ich über so eine Idee nur den Kopf geschüttelt und mir
gedacht: Wer das unbedingt nötig hat, soll es ruhig machen
- ich jedenfalls nicht.
Mein Verhältnis zum Radeln war jahrelang überhaupt keines.
Ich bin im hügeligen Allgäu aufgewachsen, und der kleine
Berg vor unserem Dorf stellte ein enormes Hindernis dar.
Wenn ich in die zehn Kilometer entfernte Stadt fuhr, dann
an der Iller entlang - das bedeutete zwar einen Umweg,
war aber eben. Als ich nach München umzog, merkte ich,
wie praktisch ein Rad in der Stadt ist.
Nicht darauf angewiesen zu sein, die letzte U-Bahn zu
erwischen, genau dort anzukommen, wo man hin möchte
und außerdem eine Menge Geld zu sparen - in der
Ausbildung war das schon fein.
Freunde erzählten uns
von Touren um den Starnberger See oder nach
Wolfratshausen, und irgendwie imponierte mir das.
Bernd war übrigens genauso faul wie ich, und bislang
sahen wir das Radeln als lästiges Übel an, um von A
nach B zu kommen.
Eines Tages beschlossen wir, die Mammuttour auch
auszuprobieren - von München um den Starnberger See
und zurück. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie
der Rücken schmerzte, vom Hintern gar nicht zu reden,
und wie müde ich nach Hause kam - aber wir haben es
geschafft, sind ca. 100 km an einem Tag geradelt,
und es hat Riesenspaß gemacht.
Ab diesem Zeitpunkt waren wir die Größten auf dem
Fahrrad, und hatte jemand Fragen, mußte er sich nur an
uns wenden. Bis wir zum ersten Mal Urlaub in Sachsen
machten. Berge kannte ich inzwischen und ließ mich
davon nicht mehr abschrecken, aber Sand?
Im Naturschutzgebiet Dresdner Heide lag auf fast allen
Wegen eine zentimeterhohe Schicht Sand, die das
Vorwärtskommen nahezu unmöglich machte.
Ich glaube, in diesem Urlaub lernten wir, daß Kilometer
nicht gleich Kilometer sind und eines der wichtigsten
Dinge beim Radeln Gelassenheit ist.
Die äußeren Umstände passen sich leider nur selten
an die sportlichen Ziele an, also sollte man sich den
Gegebenheiten anpassen.
Wie ging es weiter?
Wir radelten immer mehr.
Die Idee, ein Jahr lang Urlaub zu machen, steckte schon
lange in unseren Köpfen, doch eine Radreise stand lange
nicht zur Debatte.
Zwar kamen von Bernd immer wieder Anfragen wie:
Wie wärs, sollen wir mal durch die Sahara radeln?
Oder durch Afrika? Doch es sprach immer zu viel dagegen.
Wir stehen schon lange im Berufsleben, sind gesettled.
Sollen wir das alles aufgeben? Wohnung auflösen,
Arbeitsstelle kündigen, uns von Freunden und der Familie
verabschieden und nicht wissen, wie es sein wird, wenn wir
wiederkommen ...
Aber - auf der anderen Seite stand der Traum, und er wurde
immer größer. Die Entscheidung fiel, als wir mit Elisabeth
und Benedikt darüber sprachen und die Beiden sofort Feuer
und Flamme waren. Zu viert überlegten wir, wohin die Reise
gehen sollte und entschieden uns für Vancouver - Feuerland.
Die letzten drei Jahre standen unter dem Vorzeichen
Vorbereitung.
Spanisch lernen, Reiseberichte lesen, eine Tour mit dem
Fahrrad durch Ghana und zur Generalprobe 2.000 km mit
Benedikt durch Deutschland radeln.
Inzwischen ist die Reise keine Idee mehr, sondern ein
fester Bestandteil in unserem Alltag. Mit vielem kann ich mich
momentan besser arrangieren, weil ich weiß, daß es nur noch
für absehbare Zeit ist.
Die Spannung und Vorfreude wachsen, aber auch die Ängste
und Zweifel. Ich weiß nicht, wie es unterwegs sein wird, aber
ich weiß, daß ich unterwegs sein will!
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